Mal eine ganz andere Idee
Umwelt- und Verbraucherschutz-Minister Thorsten Glauber ist in Bayreuth mit der Betreuungs-Rikscha der Kurier-Stiftung unterwegs. Für ihn eine völlig neue Erfahrung, wie man vor allem Demenzkranke wieder in die Gesellschaft bringen, sie sichtbar machen kann, wie Stefan Keßler und Karin Orbes vom Rikscha-Netzwerk betonen.
Erinnerungen wachhalten, Demenzkranken helfen – das will man auch im Nähcafé des Familienstützpunktes. Umweltminister Thorsten Glauber unterstützt das Projekt mit einer 2.000-Euro-Förderung für den Kauf von Nähmaschinen.
Die Idee der Wiederverwertung, dem Upcycling, mehr Wertschätzung entgegenzubringen, ist für Umweltminister Thorsten Glauber ein großes Anliegen. „Meine Oma war selbst Schneiderin. Ich bin sozusagen in der Stube mit der Nähmaschine aufgewachsen“, gibt sich Glauber jovial, als er vor dem Familienstützpunkt der evangelischen Familienbildungsstätte in der Ludwig-Thoma-Straße ankommt. Gefahren wird er mit der Betreuungs-Rikscha der Alzheimer-Gesellschaft – passend zur derzeit stattfindenden Demenz-Woche, die vom Gesundheits-Ministerium ausgerufen wurde.
Glauber, der noch nie vorher in einer Rikscha saß, betont, wie komfortabel er das Gefährt finde. Auch die Idee hinter dem Rikscha-Netzwerk, Menschen mit Einschränkungen wieder sichtbar zu machen in der Gesellschaft, findet er gut und richtig. Stefan Keßler, der die kleine Rikscha-Runde auf dem Weg von der Geschäftsstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zur Ludwig-Thoma-Straße anführt, betont, dass vor allem zu hohe Bordsteine und fehlende Stellplätze für Rikschas im Stadtgebiet Sorgen bereiten. Kein Problem dagegen sei, genügend Fahrer zu finden, wobei es sich zu 90 Prozent um Frauen handele, die sich dafür begeistern. Bürgermeisterin Simone Kirschner, Heinersreuth, nickt zustimmend. Auch sie hat das Thema zur Chefinnen-Sache gemacht, als sie vor einigen Jahren von der Kurier-Stiftung „Menschen in Not“ ein Fun-to-go-Fahrrad bekam, das ebenfalls in das Rikscha-Netzwerk mit eingebunden ist.
Karin Orbes, die Vorsitzende der Alzheimer-Gesellschaft Bayreuth-Kulmbach, bedankt sich bei Andrea Ertl, der Leiterin des Familienstützpunktes, dass sie dem Nähcafé einen Raum zur Verfügung stellt.
Kleidung sei auch ein Stück Identität, betont Orbes. Viele Demenzkranke wollen sich nicht von ihren vertrauten Kleidungsstücken trennen, auch wenn sie verschlissen seien. Und weil schneidern schon immer ihr Hobby gewesen sei, habe sie hier gerne geholfen, geändert, genäht, gestopft. Karin Orbes verdeutlicht das an einigen Beispielen. Für einen alten Mann habe sie eine Bettdecke geändert und neu gesäumt, damit er die Erinnerung an seine verstorbene Frau wachhalten kann. Aus zwei T-Shirts wurde eines, zusammengesetzt aus den jeweils noch brauchbaren Teilen. Als die Nähaufträge immer mehr wurden, habe man sich entschlossen, ein Nähcafé einzurichten.
Glauber betont, dass die Förderzusage von 2.000 Euro, um zwei Nähmaschinen anzuschaffen, zwar nicht viel sei, aber wichtig, um diese Idee zu transportieren. „Und jeder von uns hat doch seine Lieblingskleidungsstücke.“ Auch das sei Wertschätzung und Nachhaltigkeit.
Hintergrundinformationen zur Betreuungs-Rikscha und zum Rikscha-Netzwerk: Das Projekt Betreuungs-Rikscha ist erstmals im Mai 2020 von der Alzheimergesellschaft in Bayreuth erfunden und formuliert worden, in der Erkenntnis, dass nur durch eine uneingeschränkte Mobilität für alle Menschen eine würdevolle Inklusion und eine gerechte Teilhabe an Natur und Leben zu ermöglichen sei. Der Fokus galt zunächst den Menschen mit Demenz sowie Menschen mit kognitiven, sinnlichen oder körperlichen Beeinträchtigungen, einschließlich deren An- und Zugehörigen. Nunmehr gilt für die Betreuungs-Rikscha das kategorische Prinzip, dass sie satzungsgemäß jeder Person unbesehen und kostenfrei zur Verfügung stehen soll, um jede Form von Zuteilung und Stigmatisierung ausschließen sowie eine Begegnung und Kommunikation „auf Augenhöhe“ gewährleisten zu können. Nach umfangreichen Bedarfsanalysen und Testfahrten ist im Oktober 2020 von der Kurier-Stiftung „Menschen in Not“ ein von der Alzheimergesellschaft präferiertes Modell einer „Holländischen Rikscha“ (Rikscha „Chat“, Van Raam) gestiftet worden und damit die Entwicklung einer als solche nunmehr exklusiv zu bezeichnenden „Betreuungs-Rikscha“ ins Leben gerufen worden.
Lesen Sie hier und auf dieser Seite die Berichte über die von unserer Stiftung finanzierten Rikschas.








