„Wer etwas hat und mehr hat als andere, der hat auch die Verpflichtung zu helfen“

Von Gabi Schnetter und Gunter Becker

Auch lange nach seinem Ausscheiden aus der Politik waren es die Nöte der Menschen, die ihn bewegten, und so wurde er in seinem Heimatort Mistelbach zur Anlaufstation für viele, die von Sorgen geplagt waren. Noch vom Krankenbett aus gab er Anregungen an die Kurier-Stiftung „Menschen in Not“ weiter, die er mit initiiert hatte und deren Beirat er bis zuletzt angehörte.

Jetzt ist der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Walter Engelhardt nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 83 Jahren verstorben. „Ein überzeugter Sozialdemokrat der alten Schule“, sagt sein Weggefährte, der frühere SPD-Landtagsabgeordnete Christoph Rabenstein. „Er hat das Wort Gerechtigkeit gelebt.“ Einer der beiden Söhne, Dierk Engelhardt, sowie seine Schwester Ulla und der ältere Bruder Karsten beschreiben den Vater als Familienmenschen, „der immer da war, wenn er gebraucht wurde.“

Walter Engelhardt habe nach der Devise gelebt: Wer etwas hat und mehr hat als andere, der habe auch die Verpflichtung, zu helfen. Damit sei er auch mehr als nur einmal angeeckt, erinnert sich sein Sohn Dierk.

Schon früh hatte sich Engelhardt den Sozialdemokraten zugewandt. Geboren 1939 in Würzburg, besuchte er die Oberrealschule und die Pädagogische Hochschule in Bayreuth und wurde Volksschullehrer. Mit seiner ausgleichenden Art wurde er Vorsitzender des SPD-Kreisverbands Bayreuth-Land und des SPD-Unterbezirks Bayreuth. In seinem Wohnort Mistelbach war er viele Jahre lang Gemeinderat. Pragmatische Politik machte er auch als Kreis- und Bezirksrat. Von 1978 bis 1998, also zwei Jahrzehnte lang, war er Mitglied des Bayerischen Landtags. Dort gehörte er den Ausschüssen für den öffentlichen Dienst, dem kulturpolitischen Ausschuss und dem Haushaltsausschuss an. Zudem war Engelhardt Mitglied des Ältestenrates und zuletzt stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion.

Mit seiner gewinnenden und ruhigen Art war ihm ein schneller Aufstieg gelungen. Der ehemalige Heinersreuther Bürgermeister Hans Dötsch erinnert sich, als Engelhardt vom damaligen Heinersreuther Bürgermeister Hans Wölfel für den SPD-Kreisvorsitz vorgeschlagen und dann auch gewählt wurde. „Gegen den Willen des Partei-Establishments.“ Dötsch erinnert sich auch an die „kuriose Aufteilung“ der Wahlkreise. „So umfasste der Wahlkreis Kulmbach große Teile des Landkreises Bayreuth, sogar die stadtnahen Gemeinden wie Bindlach und Heinersreuth. Dank Walter gab es einen solidarischen Zweitstimmenausgleich zwischen den Wahlkreisen.“ Seine Zusammenarbeit mit ihm beschreibt er so: „In Grundsatzfragen einig, in Detailfragen ab und zu unterschiedlicher Meinung. Das störte aber unsere gute Zusammenarbeit nicht.“

Um seine Arbeit hat Walter Engelhardt nie viel Aufhebens gemacht. Christoph Rabenstein erinnert sich an die Feier des 50. Geburtstages. „Er hat damals allen Gästen verboten, eine Laudatio zu halten.“ Nur Bayreuths Bürgermeister Konrad Kilchert habe einen Ausweg gefunden, indem er ein Gedicht auf Walter Engelhardt verlas. „Immer in der zweiten Reihe, aber da ganz vorne“,  so umreißt Sohn Dierk den Charakter seines Vaters.

Sehr am Herzen lagen dem Verstorbenen auch die SPD-nahen Bildungseinrichtungen auf Schloss Schney und in Weidenberg. Als Nachfolger von Herbert Hauffe habe es Engelhardt stets verstanden, junge Menschen zu ermutigen, sich politisches Grundwissen anzueignen und er habe es im Wirtschaftsausschuss des Landtages auch verstanden, die entsprechende finanzielle Unterstützung durchzudrücken.

Die Bundestagsabgeordnete Anette Kramme hat Walter Engelhardt 1988 kennengelernt. „Er hatte meine Rechnung in einer Gastwirtschaft in Mistelbach übernommen und als ich ihm sagte, das ginge doch nicht, antwortete er: Doch“, sagt sie. Er wisse, wie schwer es Studenten falle, dafür Geld aufzubringen. Und das habe er bei allen Studenten getan. Kramme weiter: „Er sagte, gib das dadurch zurück, dass du das auch tust, wenn du Geld verdienst. Insbesondere nach dem Tod meines Vaters war er mir ein väterlicher Freund und kluger Ratgeber. Walter agierte als Politiker immer sauber und gradlinig. Auch nach seinem politischen Leben hat er noch viele Menschen in Nöten betreut. Er lebte ein wahrlich sozialdemokratisches Leben. Der Verlust für die Bayreuther Sozialdemokratie ist groß. Das macht mich sehr traurig.“

Mistelbachs Bürgermeister Matthias Mann schreibt, er habe Engelhardt noch zu dessen Zeit als Schulleiter in der Volksschule kennengelernt und erinnere sich, dass er eine „unwahrscheinliche Respektsperson“ gewesen sei. In Manns Jugend sei er des Öfteren zu Gast in seinem Elternhaus gewesen. „Mein Vater und er saßen 24 Jahre lang gemeinsam für die SPD im Gemeinderat.“ Als Mann 2002 erstmals für den Gemeinderat kandidierte und einen Sitz errang, habe ihm Engelhardt am Tag nach der Wahl gesagt: „Wir brauchen eine neue Vorstandschaft, du solltest da mitarbeiten. Außerdem solltest du die Redaktion der Vereinszeitung übernehmen.“ Da­mit habe sein kommunalpolitisches Wirken begonnen, schreibt Mann. Engelhardt, der über ein umfassendes politisches Wissen verfügt habe, habe ihm in seiner Zeit als Vorsitzender der Mistelbacher SPD viele gute Ratschläge gegeben. Mann weiter: „Er war Mentor und Kritiker und er war ein väterlicher Freund. Ich werde unseren Smalltalk am Gartenzaun vermissen.“

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