„Cosima, das ist definitiv die Endstation“
Polizei und Rettungsdienst geben sich manchmal die Klinke in die Hand, 95 Prozent der Cosima-Bewohner, der Obdachlosen-Einrichtung, sind Straftäter oder Suchtkranke. Und doch gibt es manchmal Hoffnung.
Das Bild, das der Pädagogische Mitarbeiter Danielo Sciré zeichnet, ist düster. Angst und Hoffnungslosigkeit bis hin zur Selbstaufgabe, das prägt die meisten Bewohner der Obdachlosen-Einrichtung Cosima. In dem Heim, das unter Leitung der Diakonie steht, versucht ein engagiertes Team gegenzusteuern, soweit möglich. Danielo Sciré, Sozialpädagogin Winnie Bauer und Hauswirtschafterin Melanie Weis-Gerlach sind an diesem Tag vor Heiligabend im Einsatz.
Für 19 Personen ist die Einrichtung in dem alten Sandsteinbau ausgelegt. Im vergangenen Jahr waren es bis zu 33 Menschen, die hier Unterschlupf fanden. Zur Zeit sind es 20, die bald Weihnachten feiern werden. 20 Menschen mit unterschiedlichsten Herkünften und Schicksalen, mit Krankheiten und Charakteren. „Hier herrscht ein Stück weit das Gesetz der Straße,“ erklärt Danielo Sciré. „Geld und Tabak sind grundsätzlich Mangelware. Ständig wird untereinander geklaut. Viele Suchtkranke missbrauchen Substitutionen und wir haben viele Alkoholabhängige. Neulich hatte einer 4,5 Promille. Das erreicht man im Prinzip nur mit der Kombination von Wodka und Opiaten. Cosima, das ist definitiv die Endstation.“
Auch an der Tagesordnung: Schlägereien. Aus Angst vor Diebstahl möchte so mancher am liebsten mit einem Messer neben seinem Bett schlafen. „Viele haben einfach nur negative Erfahrungen in ihrem Leben gemacht, oft schon in der Kindheit Missbrauch und Gewalt kennengelernt“, sagt Melanie Weis-Gerlach. „Und wer schon mit sieben oder acht Jahren mit Alkohol und später dann mit Drogen in Berührung kommt, da geht so viel im Körper kaputt.“ Viele hier haben Aids oder Tuberkulose. Keiner redet darüber.
Das alles ist auch für das Team im Haus Cosima, das seit kurzem einen Rund um die Uhr Sicherheitsdienst hat, oft schwer zu ertragen. „In diesem Jahr hatten wir sehr viele Gewaltdelikte, deshalb muss auch tagsüber ein Sicherheitsdienst zur Verfügung stehen. Bisher hatten wir das nur nachts, wenn das Personal aus dem Haus war,“ sagt Sciré. „Aber Körperverletzung oder Drogenhandel, das kann nicht geduldet werden. Die Leute werden dann rausgeworfen.“ Was oft zur Folge hat, dass Beschwerden aus der Nachbarschaft folgen. Winnie Bauer rechnet damit, dass auch am Heiligabend oder an den Feiertagen noch einige Obdach suchen werden. „Man merkt, dass so kurz vor Weihnachten viele Einrichtungen noch schnell Patienten entlassen.“ Die Auffangstation ist dann oft „die Cosima“. „Wir sind schon dankbar, dass wir noch eine Nebenstelle in Friedrichsthal haben“, sagt Bauer. Die Einrichtung für zehn Personen wird vom Sozialamt der Stadt betreut. Eine weitere Unterkunft gibt es auch in Oberpreuschwitz. „Dort leben Menschen, denen man eine Chance auf Arbeit gibt. Sie müssen sich selbst organisieren und dürfen eine Art Freiheit schnuppern.“
Besucht man die einzelnen Zimmer und lernt die Bewohner kennen, versteht man, wenn Danielo Sciré sagt: „Ein Obdachlosenheim ist immer auch ein Schlachtfeld.“ Jede Menge Müll liegt in den Räumen, Fußböden sind teilweise herausgerissen, Zigarettenstummel bedecken Tische. Dazwischen schläft einer der Gäste, ein anderer beklagt sich, dass ein Mitbewohner krank sei, sich ständig übergebe und er ihm im Bad hinterherwischen müsse.
Und dennoch versprüht Winnie Bauer, die erst seit zwei Monaten aus der Elternzeit zurück ist, Optimismus. „Ich gehe alles mit einem Lächeln an, versuche Positives zu vermitteln,“ sagt sie. Weis-Gerlach nickt und ergänzt: „Als wir letzte Woche bei der Weihnachtsfeier die Geschenktüten verteilt haben, da geht einem schon das Herz auf, wenn man sieht, wie viele sich freuten.“ Die Tüten und auch eine Menge Dosensuppen und Toilettenartikel hatte Peter Kropf von der Kurier-Stiftung „Menschen in Not“ vorbeigebracht. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Cosima wird außerdem am Heiligabend Würstchen und Kartoffelsalat bringen. Und so bleibt an Weihnachten doch ein kleiner Hoffnungsschimmer in der Endstation, wie bei Jelena aus Kasachstan, die seit zwei Wochen hier lebt und im Januar Arbeit als Reinigungskraft bekommt, und dann auf eine eigene Wohnung hofft. Sie sagt das mit einem zarten Lächeln im Gesicht.
Lebensmittel, vor allem Dosensuppen, aber auch Weihnachtsgeschenke für die Bewohner der Obdachlosenunterkunft Cosima brachte Peter Kropf (links) von der Kurier-Stiftung „Menschen in Not“. Danielo Sciré, Winnie Bauer und Melanie Weis-Gerlach – von links – freuten sich über diese Spendenaktion.