Jüdisches Jubiläumsjahr

Einige hundert russisch-stämmige Juden leben noch heute in Bayreuth und der Region. Viele mit einem ähnlich schweren Schicksal wie Rocha Gepsteina.

Wenn Rocha Gepsteina spricht, möchte man nicht mehr aufhören, ihr zuzuhören. Die dunklen Augen in dem von unzähligen Furchen und Fältchen durchzogenen und dennoch zarten Gesicht sind hellwach. Stets mit einem Lächeln auf den Lippen und mit viel Gestik begleitet sie das, was sie sagt. In Jiddisch, jener Umgangssprache vieler europäischer Juden, die vor rund 1000 Jahren entstand. Bruchstückhaft versteht man Rocha Gepsteina, die im August ihren 100. Geburtstag feiern wird. In Bayreuth, ihrer zweiten Heimat. Gebürtig ist Rocha Gepsteina, die heute in einer kleinen aber feinen Wohnung in der Böcklinstraße zu Hause ist, in Lettland. Als jüdische Emigrantin kam sie 2001 zusammen mit ihrem schwer kranken Sohn nach Deutschland. Ihr erster Mann war im Alter von 39 Jahren einem Herzinfarkt erlegen und ist auf einem Friedhof in Riga beerdigt. Ihren Sohn hat sie dann in Bayreuth zu Grabe getragen. Heute besteht der Kontakt zur Außenwelt und zur wenigen noch verbliebenen Verwandtschaft vor allem durch die Anrufe ihres Urenkels Jury, der in Braunschweig lebt und zweimal in der Woche mit ihr telefoniert.

Rocha Gepsteina lebt sparsam, und so war es ein ganz besonderes Geschenk, als Pflegeberaterin Mina Ikert ihr eine Rikscha-Fahrt vermittelt hatte. Einmal durch die ganze Stadt, vorbei an der Synagoge und mitten über den Markt. Mina Ikert eskortierte die Fahrt auf ihrem eigenen Fahrrad. „Sie hat sich so gefreut über die vielen Menschen, die ihr zugewunken haben“, erinnert sie sich. „Den ganzen Nachmittag hat sie nur gestrahlt.” Und als Rocha Gepsteina in ihrem wunderschönen Gemisch aus Deutsch, Polnisch und Hebräisch erzählt, wie es ihr gefallen hat, treten ihr die Tränen in die Augen. „Womit hab‘ ich das nur verdient“, murmelt sie. „Danke, danke, danke!“ Das sei nicht nur ein Ausflug für sie gewesen, das war eine Kur, dolmetscht Vladimir Kolesnichenko.

Die Rikscha  wurde von der Stiftung Menschen in Not und dem Betriebsrat des Nordbayerischen Kuriers finanziert.

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