Azubi mit besonderer Geschichte

„Goldstückla“ nennt Chefin Elke Spreuer die Herdsemmeln, die in der Hollfelder Bäckerei in der Auslage liegen und von manchen Kunden bevorzugt werden, weil sie länger frisch bleiben und einen knusprigen „Kragen“ haben. Ein Goldstückla hat der kleine Familienbetrieb, der sich in den letzten Jahren auch technisch aufgerüstet hat, aber auch in der Bäckerei selbst, nämlich einen Auszubildenden mit einer besonderen Geschichte. Arash Seyfi Shirvanehdeh kommt aus dem Iran, hat in seiner Heimat Bergbau studiert und baut sich jetzt nach abenteuerlicher Flucht in Deutschland ein neues Leben auf.

Elke und Richard Spreuer sind des Lobes voll über den 35-Jährigen mit der zurückhaltenden, ruhigen Art. „Das ist ein echter Glücksfall“, meint Richard Spreuer, der zurzeit zwei Auszubildende betreut. Arash, wie ihn alle hier nennen, arbeite sorgfältig und schließt auch ein Stück weit die Lücke, die der Sohn hinterlässt, weil er momentan in einer anderen Bäckerei arbeitet. „Er ist mir in vielen Dingen überlegen,“ räumt Richard Spreuer ein. „Im Iran kennt man beispielsweise kein Laugengebäck. Da fotografiert sich Arash die Informationen ab und hat sie dann immer parat, wenn er Laugenstangen oder Brezen macht.“ Er arbeitet sehr selbstständig.

Abenteuerlich war die Flucht von Arash vor vier Jahren. Gemeinsam mit einem Freund, der heute in Dortmund lebt und zu dem er noch engen Kontakt hat, machte er sich auf den Weg und verließ seine Heimat, in der er sich nicht mehr zuhause fühlte. „Wir wollen keinen islamischen Staat“, sagt er. Für ihn geht das so weit, dass er sich in Deutschland hat taufen lassen. Noch heute hat er Kontakt zur Bayreuther Friedenskirche und zu Pfarrerin Andrea Nehring. Gerne kocht er dort mit und für iranische Flüchtlinge und auch für deutsche Helfer. Die täglichen Nachrichten aus dem Iran bereiten ihm große Sorgen. Und obwohl er keine Familie mehr im Iran hat – die Eltern und auch eine Schwester sind gestorben – möchte er eines Tages in die Heimat zurückkehren, so sein Wunsch.

Ein halbes Jahr lang war Arash auf der Flucht. Zu Fuß über die Balkanroute. Quer durch die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Ungarn und Österreich. Laufen, laufen, was die Füße hergeben. Bis die beiden jungen Männer endlich Deutschland erreicht hatten. Zu trinken gab es oft nur Wasser aus Straßenpfützen und geschlafen wurde unter freiem Himmel. In einer Gemeinschaftsunterkunft in Kulmbach fand Arash dann zunächst ein Dach über dem Kopf und bald auch die Stellenanzeige, dass die Bäckerei Spreuer einen Auszubildenden sucht. Weil er schon als Kind immer gerne gekocht hat, bewarb er sich und auch die tägliche Anfahrt in den frühen Morgenstunden bis nach Hollfeld war ihm nicht zu viel. „In der Gemeinschaftsunterkunft ging es aber vor allem abends oft laut zu und Arash konnte kaum schlafen,“ erzählt Elke Spreuer. Gemeinsam mit Ruth Domide von der Caritas und Gerhard Leikam machten sie sich auf die Suche nach einer Unterkunft in Hollfeld. Als die endlich gefunden war, begann der Verwaltungsakt. Arash brauchte eine Erlaubnis, um in Hollfeld wohnen zu dürfen. „Wenn Ruth Domide nicht gewesen wäre, wir allein hätten das alles nicht geschafft,“ sagt Elke Spreuer. Und dazu kam die Unterstützung durch die Hollfelder, die ihrem Neubürger gebrauchte Möbel schenkten, und die Kurier-Stiftung „Menschen in Not“, die für eine Waschmaschine sorgte. So dauerte es nicht lange, bis der junge Iraner seine kleine Wohnung eingerichtet hatte.

In der Zwischenzeit hat Arash in der Backstube eine Dinkelkörnermischung aufgesetzt. „Daraus werden am nächsten Tag Dinkelvollkornecken“, erklärt Richard Spreuer. Die Mehlmischung mit Sesam und Sonnenblumenkörnern wird genau abgewogen und muss am Vortag mit Wasser aufgekocht werden, damit der Teig mehr Flüssigkeit binden kann. Bäcker sprechen dann von einem Kochstück. Mit viel Routine und Geduld – „das schätze ich ganz besonders an ihm“, sagt Richard Spreuer – rührt Arash den Teig, der langsam immer zäher wird, auf dem Gasherd. „Wir hoffen, dass er die Prüfungen im Frühjahr besteht,“ meint Elke Spreuer, die sich vor allem darüber freut, dass Arash überall zupackt und hilft. „Ja, er ist schon ein Gentleman“, meint sie. Wenn im nächsten Jahr alles glatt läuft, würden ihn die Spreuers gerne übernehmen. Damit ein weiteres „Goldstück“ in der Bäckerei etwas entlastet wird: Richard Spreuer hat vor kurzem den goldenen Meisterbrief erhalten für 40 Jahre Tätigkeit in der Branche. Und auch wenn Arash schon Pläne für die Zukunft hat und sich irgendwann einmal selbstständig machen möchte: bis dahin werden noch viele „Goldstückla“ bei den Spreuers gebacken.                        

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